Bevor Fahranfänger auf der Straße im Stau stecken, wird ihre Geduld aktuell schon vor der Fahrprüfung auf die Probe gestellt
Die Angst vor Ansteckung in Bus und Bahn bescherte im ersten Jahr der Pandemie nicht nur Gebrauchtwagenhändlern einen überraschenden Boom. Auch bei den Fahrschulen meldeten sich plötzlich Menschen, die vor der Pandemie nie den Wunsch nach einem Auto verspürten. Im Lockdown ging zwar die Theorieausbildung oft online weiter, doch Fahrstunden fielen zeitweise aus. Das sorgt nun für Rückstau bei den Prüfungen.
»Ungewöhnlich lange Wartezeiten«, meldete der TÜV-Verband am Dienstag. Geschäftsführer Joachim Bühler führt die Verzögerungen vor allem auf die Einschränkungen in der Pandemie zurück: »Nach Ende der Lockdowns ist die Nachfrage nach Terminen für die praktische Prüfung in die Höhe geschossen. Das gab es in der Form noch nie.« Fahrlehrer, die auch vor Corona schon dringend gesucht wurden, schieben Überstunden und Prüferinnen werden aus dem Ruhestand zurückgeholt.
Bis März nächsten Jahres könne es noch dauern, die Wartelisten abzuarbeiten. Die Unterschiede zwischen einzelnen Regionen sind zwar groß, teils müssen Fahrschülerinnen aber mehrere Wochen oder gar Monate Geduld haben. Das macht die Ausbildung für viele teurer. »Fahrschüler nehmen vor der Prüfung noch mal Stunden, um nicht aus der Übung zu kommen«, sagte Fahrlehrer Peter Hörnle aus Ochsenhausen in Baden-Württemberg.
Für Unruhe in der Branche sorgen nun Pläne, den Online-Theorieunterricht auch nach der Pandemie fortzuführen. Fahrschüler könnten so flexibel in ihrem eigenen Tempo lernen und Geld sparen, und Fahrlehrer hätten mehr Zeit für die praktische Ausbildung. Mehrere Start-ups tummeln sich mit entsprechenden Angeboten schon länger in dem Segment, im Lockdown zogen auch klassische Fahrschulen nach.
Das Bundesverkehrsministerium will Vorschriften anpassen, um das Büffeln der Straßenverkehrsordnung dauerhaft online zu ermöglichen. Während der Abstimmungsprozess mit den Bundesländern anläuft, organisieren sich Gegner und Befürworter des virtuellen Lernens. »Elektronische Medien können den traditionellen Präsenzunterricht in der Fahrschule nicht ersetzen«, warnt etwa ein Bündnis traditioneller Fahrlehrerverbände.
Das gesamte »System der professionellen Fahrausbildung« werde durch die Neuerungen infrage gestellt. Am Ende seien die Fahrschüler schlechter auf den Straßenverkehr vorbereitet. Allerdings dürfte auch die Sorge vor Umsatzverlusten eine Rolle spielen, wenn der Präsenzunterricht wegfällt.
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Den Fans der Digitalisierung geht es ebenfalls ums Geld. Hinter dem erst im Juli gegründeten »Verband der innovativen Fahrschulen Deutschlands« steht beispielsweise die E-Learning-Plattform 123Fahrschule. »Viele Fahrschüler müssen aufgrund veralteter Strukturen bei den Fahrschulen lange Wartezeiten und höhere Kosten in Kauf nehmen«, heißt es dort. Die Branche müsse sich endlich an die Lebenswelt ihrer Kunden anpassen.
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